BAG zum kirchlichen Arbeitsrecht: Ja, aber ...

Die katholische Kirche wie auch die evangelischen Landeskirchen verfolgen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter und auch der Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen ganz überwiegend den sogenannten „Dritten Weg“. Arbeitsbedingungen werden nicht zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft ausgehandelt und dann in die Form von Tarifverträgen gegossen. Vielmehr verhandeln Dienstgeberseite und Dienstnehmerseite in paritätisch besetzten Kommissionen die Arbeitsbedingungen und damit auch den Lohn. Kommt es zu keiner Einigung, wird der Konflikt durch eine verbindliche Schlichtung entschieden. Ein Streikrecht sieht der „Dritte Weg“ nicht vor. Nach Auffassung der Kirchen wurzelt dieses „Sonderrecht“ im kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, das in Artikel 140 GG in Verbindung mit den weitergeltenden Kirchenartikeln der Weimarer Reichsverfassung garantiert ist.

In den am 20.11.2012 vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen riefen Gewerkschaften – es handelte sich um Verdi und den Marburger Bund – gleichwohl zum Streik auf. Nach gewerkschaftlichem Verständnis nämlich garantiert Artikel 9 Abs. 3 GG das Streikrecht, und zwar auch gegenüber den Kirchen. Die kirchliche Seite klagte auf Unterlassung und verlor jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht (Urteile vom 20.11.2012, 1 AZR 179/11 und 1 AZR 611/11). Zwar ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der „Dritte Weg“ nicht unzulässig. Allerdings haben die Rechte einer Gewerkschaft, und damit auch das Streikrecht, nur dann zurückzutreten, wenn sich die Gewerkschaft innerhalb des Dritten Weges noch „koalitionsmäßig“ betätigen kann und die Arbeitsrechtssetzung auf dem „Dritten Weg“ für die Dienstgeber verbindlich ist und als Mindestarbeitsbedingung den Arbeitsverträgen auch zugrunde gelegt wird. Mit anderen Worten: Die Gewerkschaften sind hinreichend bei der Entstehung arbeitsrechtlicher Regeln einzubinden. Auch dürfen die Kirchen nicht, wie dies bislang immer wieder praktiziert wurde, zwischen unterschiedlichen Arbeitsrechtsregimen ohne Mitwirkung der Dienstnehmerseite wechseln. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, können die Kirchen weiterhin den „Dritten Weg“ begehen.

Die bisherigen Regelwerke dürften überwiegend den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Erfordernissen (noch) nicht genügen. In Sachsen wird man etwa das Landeskirchliche Mitarbeitergesetz einer kritischen Prüfung unterziehen müssen. Es liegt jetzt an den Kirchen, bei der Überarbeitung „ihres“ Arbeitsrechts zügig juristische Phantasie zu entwickeln und damit Arbeitskämpfe abzuwenden.

Fragen zum Thema?

Kontaktieren Sie uns gern über unser Kontaktformular und stellen Sie uns Ihre Fragen.

Kontaktformular