BGH: Krankenversicherer haben Recht auf Einsicht in Pflegedokumentation

Verletzt sich ein Heimbewohner im Bereich des Pflegeheims, müssen Krankenversicherer, die die Behandlungskosten getragen haben, prüfen, ob ihnen Schadensersatzansprüche gegen den Heimträger aus übergegangenem Recht zustehen. Dazu benötigen sie bei Unfällen in Altenpflegeheimen Einsicht in die Pflegedokumentation. In der Vergangenheit haben die Pflegeheimträger und die hinter ihnen stehenden Haftpflichtversicherer häufig die Herausgabe der Pflegedokumentation mit der Begründung verweigert, den Krankenversicherern stehe weder ein eigenes Einsichtsrecht aus § 294a SGB V noch ein Anspruch aus übergegangenem Recht zu. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in zwei mit Spannung erwarteten Urteilen vom 23.03.2010, AZ: VI ZR 249/08 und VI ZR 327/08, klargestellt, dass dem Krankenversicherer aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation zustehen könne. Voraussetzung sei, dass der Heimbewohner oder sein gesetzlicher Betreuer hierin einwilligt und der Krankenversicherer die durch die Einsicht entstehenden Kosten erstattet.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass für das Verhältnis von Arzt und Patient ein Anspruch auf Einsicht in die den Patienten betreffenden Krankenunterlagen als Ausfluss des Rechts auf Selbstbestimmung und personale Würde anerkannt sei, ohne dass es für die Einsicht eines besonderen rechtlichen Interesses bedürfe. Gleiches gelte auch für das Recht des Heimbewohners auf Einsichtnahme in die Pflegedokumentation. Ein Übergang des Einsichtsrechts auf Dritte sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Einsichtsrecht aus dem Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Heimbewohners abgeleitet werde. Der Anspruch sei nicht in vollem Umfang ein „höchstpersönlicher“. Vielmehr enthalte er auch eine vermögensrechtliche Komponente, die einen Übergang auf Dritte ermögliche. Ob für den Bereich der Pflegeheime, anders als im Arzt-Patienten-Verhältnis, ein sachliches Interesse erforderlich ist, hat das Gericht aber offengelassen. Ein sachliches Interesse liege nämlich schon wegen des im konkreten Streitfall erfolgten Sturzes und der dadurch erlittenen erheblichen Verletzungen vor. Da das Selbstbestimmungsrecht des Heimbewohners berührt sei, setze der Übergang des Einsichtsrechts auf den Krankenversicherer jedoch voraus, dass eine Einwilligung des Bewohners vorliegt oder zumindest von seinem vermuteten Einverständnis auszugehen ist, wenn einer ausdrücklichen Einwilligung Hindernisse entgegenstehen. Dieses Einsichtsrecht sei nach Auffassung des BGH auf den für die Prüfung von Schadensersatzansprüchen erforderlichen Zeitraum begrenzt. Der BGH hält insoweit einen Zeitraum von sechs Monaten vor dem Schadensereignis für angemessen.

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