BGH: Schadensersatz bei berührungslosem Unfall

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.11.2016 - VI ZR 533/15 zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein Unfall auf den Betrieb eines Kraftfahrzeuges mit der Folge einer Schadensersatzverpflichtung zurückzuführen ist, wenn sich die Fahrzeuge bei dem Unfall nicht berührt haben. Notwendig ist nach Auffassung des Gerichts, dass das schädigende Fahrzeug über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zur Entstehung des Schadens beigetragen hat.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger folgte mit seinem Motorrad auf einer Bundesstraße dem Motorrad der Beklagten. Diese überholte unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn einen PKW. Als der Kläger diesen PKW zeitgleich in zweiter Reihe ebenfalls überholen wollte, fuhr er weiter außen auf der Gegenfahrbahn und geriet, ohne dass es zu einer Berührung mit dem Motorrad der Beklagten gekommen wäre, in das Bankett. Dort verlor er die Kontrolle über sein Motorrad und stürzte. Das Oberlandesgericht Hamm hatte die Klage abgewiesen, da nicht nachgewiesen sei, dass der dem Kläger entstandene Schaden dem Betrieb des vorausfahrenden Motorrades der Beklagten zuzurechnen sei.

Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Grundsätzlich greife die Haftung von Halter und Fahrer gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG nicht ein, wenn ein in Betrieb befindliches Kraftfahrzeug lediglich an der Unfallstelle anwesend ist, ohne dass es durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zur Entstehung des Schadens beigetragen hat. Demgegenüber umfasst die Haftung allerdings alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Dafür genügt es, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist. Unabhängig für die Haftung gemäß § 7 StVG ist, ob sich der Führer des in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat oder ob es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist. Die Haftung bei einem Unfall ohne Berührung setzt deshalb über die bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus voraus, dass das Fahrverhalten des Kraftfahrzeugführers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat. Im vorliegenden Fall konnte nicht festgestellt werden, dass die Fahrweise des Motorrads der Beklagten den Unfall verursacht hat. Hierfür genügte der parallele Überholvorgang allein nicht. Zwar wäre der Unfall des Klägers ohne das Überholmanöver der Beklagten wahrscheinlich nicht geschehen, weil die Fahrlinie des Klägers dann möglicherweise eine andere gewesen wäre. Dies reiche jedoch für eine Haftung nicht aus. Da das Gericht aber zur Aufklärung des konkreten Unfallhergangs eine weitere Beweisaufnahme hätte durchführen müssen, verwies der Bundesgerichtshof die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

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