Bundesverwaltungsgericht zur Klagebefugnis der Ausgangsbehörde gegen Widerspruchsbescheid im übertragenen Wirkungskreis (AZ: 4 C 3.20)

Das mit Urteil vom 09.12.2021 entschiedene Verfahren am Bundesverwaltungsgericht erging zu der Frage, ob die Ausgangsbehörde eines Kostenbescheids im übertragenen Wirkungskreis zur Klage gegen den Widerspruchsbescheid befugt sein könne.

Der klagende Landkreis als zuständige Bauaufsichtsbehörde ließ ein baufälliges Gebäude im Wege der unmittelbaren Ausführung gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) abreißen. Der Eigentümer des Grundstückes sollte die durch die unmittelbare Ausführung entstandenen und mit Kostenbescheid festgesetzten Kosten in Höhe von ca. 94.000 € tragen. Hiergegen legte er Widerspruch ein. Der Landkreis als Ausgangsbehörde half nicht ab. Die Widerspruchsbehörde hob den Kostenbescheid jedoch auf, erlegte dem Landkreis die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen des Grundstückseigentümers auf und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtete sich die Klage des Landkreises. Der Landkreis hielt den ergangenen Widerspruchsbescheid für rechtswidrig und sah sich insbesondere in seiner Finanzhoheit verletzt.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage gegen den Widerspruchsbescheid wegen fehlender Klagebefugnis des Landkreises ab, weil in einer einem Widerspruch stattgebenden Entscheidung im übertragenen Wirkungskreis grundsätzlich keine Rechtsverletzung des klagenden Landkreises liegen könne. Bei - wie im vorliegenden Fall - lediglich mittelbar eintretenden Beeinträchtigungen der kommunalen Finanzen sei die Klagebefugnis nur anzunehmen, „wenn die dem kommunalen Selbstverwaltungsträger entstehenden finanziellen Folgelasten ein nicht mehr zu bewältigendes Maß erreichten“. Im vorliegenden Fall sei dies nicht erkennbar gewesen. Dem klagenden Landkreis stehe daher keine Rechtsposition zur Seite, die eingriffsgeschützt und abwehrfähig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Der Landkreis sei nicht klagebefugt. Zwar könne sich der Landkreis hinsichtlich der kreiskommunalen Aufgaben auf das Recht der Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG berufen. Dieses Recht zur eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung beziehe sich jedoch nur auf gesetzlich zugewiesene Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Aus Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises könnten sich dagegen grundsätzlich keine eigenen Rechte eines Landkreises ergeben, denn insoweit nehme der Landkreis staatliche Aufgaben wahr. Wenn der Landkreis die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme im übertragenen Wirkungskreis anordnet, ergehe die Kostenentscheidung als Annexregelung ebenfalls im übertragenen Wirkungskreis.
Als Ausnahme von diesem Grundsatz könne der Landkreis klagebefugt sein, wenn das materielle Recht zugunsten des Landkreises eine Rechtsposition begründe, die ihrerseits eingriffsgeschützt und abwehrfähig sei. Beispielsweise sei dies der Fall, wenn die übertragene Aufgabe zugleich in den eigenen Wirkungskreis, also das Selbstverwaltungsrecht, oder in das Eigentumsrecht oder die Verfügungsberechtigung des Landkreises eingreife.

Ein solcher Ausnahmefall liege jedoch nicht vor. Weder ergebe sich dieser aus der Auslegung des § 9 Abs. 2 S. 1 SOG LSA noch aus der im Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 28 Abs. 2 GG wurzelnden Finanzhoheit. Der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG umfasse insbesondere nicht einzelne Vermögenspositionen. Gesichert werden müsse jedoch eine „aufgabenadäquate Finanzausstattung“ der Kommunen - die finanziellen Mittel müssten ausreichen, um die zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können. Daraus folge, dass der Landkreis sich gegen bilanzielle Belastungen durch staatliches Handeln verwenden könne, wenn er eine nachhaltige, von ihm nicht mehr zu bewältigende und hinzunehmende Einengung seiner finanziellen Spielräume darlege und nachweise. Dies könne auch bei Einzelmaßnahmen der Verwaltung möglich sein.

Weil die benannten Voraussetzungen jedoch nicht vorlagen, wies das Bundesverwaltungsgericht die vom Landkreis eingelegte Revision zurück.

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