BVerfG: Übernachtungsteuer ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 22.03.2022 (1 BvR 28968/15 u. a.) entschieden, dass die Besteuerung von entgeltlichen Übernachtungen (im Folgenden: Übernachtungsteuer) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG dürfen im Freistaat Sachsen die Gemeinden Aufwandsteuern erheben, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Steuern auf Übernachtungen dürfen nach § 7 Abs. 3 SächsKAG nicht erhoben werden, wenn die Gemeinde Abgaben nach den §§ 34 oder 35 SächsKAG (Gästetaxe oder Tourismusabgabe) erhebt. In Sachsen-Anhalt bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA, dass die Gemeinden Steuern erheben dürfen. Die Vorschrift ermächtigt damit die Gemeinden, Aufwandsteuern zu erheben.

Das Bundesverfassungsgericht hält die vorgenannten zum Erlass einer Satzung über die Erhebung einer Steuer für entgeltliche Übernachtungen ermächtigenden gesetzlichen Bestimmungen als mit dem Grundgesetz vereinbar.

Es handle sich bei der Übernachtungsteuer um eine Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Danach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung u. a. über die örtlichen Aufwandsteuern. Gegenstand der Aufwandsteuer im Sinne dieser grundgesetzlichen Vorschrift sei die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck komme. Als Aufwand gelte ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden und der typischerweise Ausdruck und Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sei, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser Konsum finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Hinblick auf die Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wäre die Erhebung einer Steuer, die nicht an die Entstehung des Einkommens, sondern an dessen Verwendung anknüpft, nicht praktikabel, wenn in jedem Fall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen oder der dem Aufwand zugrundeliegende Grund festgestellt werden müsste. Für die Annahme einer Einkommens-verwendung „für den persönlichen Lebensbedarf“ reiche es dementsprechend aus, dass der Steuerträger den Aufwand selbst betreibt. Das gelte auch dann, wenn die Verwendung von Einkommen beruflich veranlasst sei und insoweit nach Maßgabe des Einkommensteuerrechts Werbungs-kosten bei der Einkünfteermittlung abziehbar sind.

Das Bundesverfassungsgericht vertritt damit im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 11.07.2012 – 9 CN 1.11, BVerwGE 143, 301) die Auffassung, dass auch beruflich veranlasste Übernachtungen besteuert werden dürfen. Dem Satzungsgeber bleibe es aber unbenommen, von einer Besteuerung beruflich veranlassten Konsums unter Beachtung des Gleichheitssatzes abzusehen.

Die Steuern für Übernachtungen erstrecken sich lediglich auf entgeltliche Übernachtungen im Gebiet der jeweiligen Gemeinde belegten Beherbergungsbetrieben. Damit genügen sie dem Kriterium der Örtlichkeit in Art. Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG. Sie sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG bundesgesetzlich geregelten Steuern wie der Umsatzsteuer oder einer anderen bundesrechtlich geregelten Steuer gleichartig.

Als Steuerschuldner wird in der Regel aus Gründen der Praktikabilität der Beherbergungsbetrieb bestimmt, der die Steuer beim Übernachtungsgast einziehen muss und sie an die Gemeinde abführt (sog. indirekte Besteuerung). Eine solche Regelung ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß. Sie verstößt weder gegen Art. 12 GG (Berufsfreiheit) noch gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG (Gleichbehandlungsgebot). Für eine am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausgerichtete Ausgestaltung indirekter Steuern genüge insoweit die Möglichkeit, dass sie kalkulatorisch abgewälzt werden, der Steuerschuldner mithin den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen könne.

Die Satzungen sehen auch Mitwirkungspflichten der Beherbergungsbetriebe vor (Steueranmeldung, Anzahl der Übernachtungen, für die keine Übernachtungsteuer erhoben wurde). Auch eine solche Regelung ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts mit Art. 12 GG (Berufsfreiheit) vereinbar.

Die aktuellen Satzungen über die Erhebung einer Übernachtungsteuer nehmen wegen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2012 (9 CN 1.11, BVerwGE 143, 301) beruflich veranlasste Übernachtungen von der Besteuerung aus. Eine solche vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Verpflichtung besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht. Allerdings dürfen die Satzungsgeber beruflich veranlasste Übernachtungen von der Aufwandbesteuerung ausnehmen. Dafür bedarf es aber im Hinblick auf den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG) eines sachlichen Grundes. Einen solchen Grund sieht das Bundesverfassungsgericht z. B. in der (lokalen) Wirtschaftsförderung.

Dass die Satzungsgeber allein wegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2012 beruflich veranlasste Übernachtungen von der Besteuerung ausgenommen haben, führt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG. Zwar stellt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keinen sachlichen Grund für die Privilegierung beruflich veranlasster Übernachtungen dar. Für die objektive Verfassungsmäßigkeit der Ausnahme von der Übernachtungsteuer kommt es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht auf ihre Begründung, sondern auf ihre Begründbarkeit an. Da als sachlicher Grund für die Privilegierung z. B. die lokale Wirtschaftsförderung in Betracht komme, sei dies ausreichend, um einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verneinen.

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