BVerwG: Baden-Württembergische Neuregelung zu „außerkapazitären“ Studienplätzen auf dem Prüfstand

Die Vergabe eines Studienplatzes in einem in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengang – zum Beispiel Medizin oder Zahnmedizin – setzt einen Zulassungsantrag bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) voraus. Einbezogen in das ZVS-Verfahren sind nur die Plätze „innerhalb“ der Kapazität, also diejenigen Plätze, die als Aufnahmekapazität der Hochschule berechnet und – regelmäßig als Verordnung – in Gestalt einer „Zulassungszahl“ festgesetzt worden sind. Hält die zugrunde liegende Kapazitätsberechnung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Rahmen von Rechtsschutzverfahren abgewiesener Studienbewerber nicht stand, werden also „außerkapazitäre“ Studienplätze aufgedeckt, sind die „aufgedeckten“ Kapazitäten regelmäßig durch Losentscheid auf die erfolgreichen Rechtsschutzsuchenden zu verteilen. Die Noten der Hochschulzugangsberechtigung spielen, anders als im zentralen Vergabeverfahren, beim Losentscheid keine Rolle.

Neue Wege hat das Land Baden-Württemberg beschritten. Mit einer im Juli 2009 in Kraft getretenen Änderung der Vergabeverordnung ZVS hat das baden-württembergische Wissenschaftsministerium als Voraussetzung für einen Anspruch auf Zulassung „außerhalb“ der Kapazität statuiert, dass vorab ein Antrag auf Zulassung im ZVS-Verfahren in dem betreffenden Studiengang für den betreffenden Studienort gestellt worden sein muss. Zudem hat sich nach der Neuregelung die Vergabe der „außerkapazitären“ Plätze an den Vergabekriterien im zentralen Vergabeverfahren zu orientieren, wenn die Hochschule für die Bewerber um diese Zulassungen entsprechende Ranglisten erstellt. Das Land Baden-Württemberg hat, mit anderen Worten, auch die Vergabe der außerkapazitären Studienplätze mit dem Notendurchschnitt der Hochschulzugangsberechtigung verknüpft. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens diese Verordnung gehalten, aber die Anwendung bereits zum Wintersemester 2009/2010 für unwirksam erklärt, Urteil vom 29.10.2009, AZ: 9 S 1858/09 u. a. Die Revision ließ der Verwaltungsgerichtshof nicht zu.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Studienbewerbers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 20.05.2010 die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen, die der Rechtssache im Hinblick auf das aus Artikel 12 Abs. 1 GG ableitbare Gebot einer erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Studienkapazität zukomme, Beschluss vom 20.05.2010, AZ: 6 BN 3/09. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.05.2010, AZ: 6 VR 1.10, die baden-württembergische Regelung über die Vergabe von Studienplätzen außerhalb der Kapazität auch für das Wintersemester 2010/2011 vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Für die Erfolgsaussichten der Revision gibt die Eilentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings nichts her. Denn das Gericht hat die baden-württembergische Regelung nur aufgrund einer Interessenabwägung – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines etwaigen mehrmaligen Wechsels des Zulassungssystems – außer Vollzug gesetzt.

Gleichwohl darf man auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gespannt sein. Hat die baden-württembergische Regelung Bestand, dürften sich andere Länder diesem Regelungsmodell anschließen. Die bisherige Praxis der „außerkapazitären“ Studienplatzvergabe durch Losentscheid wäre dann passé. Orientiert sich die Zulassung auch für außerkapazitäre Plätze künftig am Notendurchschnitt der Hochschulzulassungsberechtigung, so dürfen insbesondere die Medizinischen Fakultäten hoffen, nicht mehr jährlich mit Hunderten von gerichtlichen Eilanträgen überschwemmt zu werden.

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