BVerwG: Bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle im Gewerbegebiet

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25.01.2022 (4 C 2.20) entschieden, dass ein Zwischen-lager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen in einem Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) bau-planungsrechtlich unzulässig ist.

Die Klägerin begehrte eine Baugenehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung eines Lagergebäudes in ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der für das Grundstück ein Gewerbegebiet festsetzt. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gab der gegen die Ablehnung der Baugenehmigung gerichteten Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten änderte der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Urteil ab und wies die Klage ab. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision blieb ohne Erfolg.

Nach § 8 Abs. 1BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Allgemein zulässig sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO u.a. Gewerbebetriebe aller Art und Lagerhäuser.

Das Bundesverwaltungsgericht ließ die Annahme des Berufungsgerichts (Hessischer Verwaltungs-gerichtshof) dahingestellt, das Vorhaben sei kein Lagerhaus. Es führte dazu aus, dass Lagerhäuser zugleich Gewerbebetriebe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sein könnten. Auch sie dürften aber - wie die Gewerbebetriebe aller Art - den in § 8 Abs. 1 BauNVO normierten Störgrad („nicht erheblich belästigend“) nicht überschreiten. Das Zwischenlager für radioaktive Abfälle sei kein „nicht erheblich belästigender“ Betrieb.

Ob ein Gewerbebetrieb erheblich belästigend sei, beurteile sich im Ausgangspunkt nach einer - eingeschränkten - typisierenden Betrachtungsweise. Der konkrete Betrieb sei als unzulässig einzustufen, wenn Betriebe seines Typs üblicherweise für die Umgebung in diesem Sinne erheblich belästigend wirken; auf das Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen komme es grundsätzlich nicht an.

Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen weise ein Gefahrenpotential auf, das den im Gewerbegebiet zulässigen Störgrad typischerweise überschreitet. Diese Gefahreneinschätzung könne den einschlägigen atom- und strahlenschutzrechtlichen Vorschriften entnommen werden und komme auch in § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB zum Ausdruck.

Die einschlägigen Vorschriften der Atomrechtlichen Entsorgungsverordnung v. 29.11.2018 (BGBl. I S. 2071) und des Strahlenschutzgesetzes vom 27.06.2017 (BGBl. I S. 1966) könnten zur sachgerechten Konkretisierung des Begriffs „nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ herangezogen werden. Ihnen liege die Annahme zugrunde, dass beim Umgang mit radioaktiven Abfällen aus kerntechnischen Anlagen und ihrer Zwischenlagerung typischerweise die Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen durch ionisierende Strahlung für die Umgebung bestehe. Sie würden ein anlagentypisches Gefahrenpotential kennzeichnen, das auch bauplanungsrechtlich unterstellt werden dürfe und müsse.

Von einem anlagentypischen Gefahrenpotential, das die Schwelle zur erheblichen Belästigung überschreite, gehe auch der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB aus. Nach dieser Vorschrift sei ein Vorhaben im Außenbereich privilegiert, wenn es der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität. Sie finde auch auf Zwischenlager für radioaktive Abfälle Anwendung, denn die Zwischenlagerung diene deren Entsorgung.

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