BVerwG: Erschließungsverträge der Kommune mit kommunaler Eigengesellschaft nichtig!

Kommunale Haushaltsmittel sind begrenzt. (Auch) deshalb schließen Kommunen Erschließungsverträge mit Dritten, zum Beispiel einem Bauträger, der die Erschließung durchführt. Die Kommune erspart sich unter anderem den kommunalen Eigenanteil an den Erschließungskosten.

In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall (Urteil vom 01.12.2010, Aktenzeichen: 9 C 8.09) war über einen Fall aus Baden-Württemberg zu entscheiden. Die Stadt Bietigheim-Bissingen hatte mit ihrem 100%igen Tochterunternehmen, der Bietigheimer Wohnbau GmbH, einen „Städtebaulichen- und Erschließungsvertrag“ abgeschlossen und darin die Umlegung der Erschließungskosten auf die Eigentümer der unbebauten Grundstücke vereinbart. Kaufinteressenten für die unbebauten Grundstücke hatten wiederum aufgrund einer gesonderten notariellen Vereinbarung in den zwischen der Stadt und deren Tochtergesellschaft abgeschlossenen Vertrag einzutreten und an die Bietigheimer Wohnbau GmbH die Erschließungskosten zu zahlen.

Die Kläger des vor dem Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahrens forderten mit ihrer Klage von der Bietigheimer Wohnbau GmbH die auf die Erschließungskosten geleisteten Abschlagszahlungen zurück, weil sie ohne wirksamen Rechtsgrund erfolgt seien.

Das Bundesverwaltungsgericht hat, anders als die Vorinstanz, der Klage stattgegeben. Der Erschließungsvertrag sei nichtig. In der vorliegenden Konstellation würde die Einschaltung der gemeindlichen Eigengesellschaft praktisch und wirtschaftlich darauf hinauslaufen, dass die Gemeinden „im Mantel eines Privaten“ vertraglich die Erschließungskosten auf die Eigentümer bzw. Käufer abwälzen könnten, ohne den Begrenzungen des Beitragsrechts zu unterliegen. Ferner sei der Erschließungsvertrag auch deshalb nichtig, weil die Gemeinde sich darin umfangreiche Befugnisse vorbehalten hatte, die praktisch auf ein unbeschränktes Recht zur Selbstvornahme hinausliefen, so dass tatsächlich keine „Übertragung“ der Erschließung von § 124 Abs. 1 BauGB vorgelegen habe.

Bei dem Vorgehen der Stadt Bietigheim-Bissingen handelte es sich um eine weit verbreitete kommunale Praxis. Diese Praxis wird voraussichtlich ihr Ende finden. Offen ist, in welchem Umfang sich mit diesem Urteil Rückzahlungsansprüche der in die Vertragskonstruktion eingebundenen Grundstückserwerber gegen die kommunale Seite über den höchstrichterlich entschiedenen Einzelfall hinaus begründen lassen. Für die betroffenen Kommunen könnte sich dies verheerend auswirken. Die schriftliche Begründung des Urteils ist daher abzuwarten.

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