Ende der Prozesslawinen?

Die Vergabe eines Studienplatzes in einem in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengang – zum Beispiel Medizin oder Zahnmedizin – setzt einen Zulassungsantrag bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) voraus. Einbezogen in das ZVS-Verfahren sind nur die Plätze „innerhalb“ der Kapazität, also diejenigen Plätze, die als Aufnahmekapazität der Hochschule berechnet und – regelmäßig als Verordnung – in Gestalt einer „Zulassungszahl“ festgesetzt worden sind. Hält die zugrundeliegende Kapazitätsberechnung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Rahmen von Rechtsschutzverfahren abgewiesener Studienbewerber nicht stand, werden also „außerkapazitäre“ Studienplätze aufgedeckt, sind die „aufgedeckten“ Kapazitäten regelmäßig durch Losentscheid auf die erfolgreichen Rechtsschutzsuchenden zu verteilen. Die Noten der Hochschulzugangsberechtigung spielen, anders als im zentralen Vergabeverfahren, beim Losentscheid keine Rolle.

Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium hat abweichend von der bisherigen Praxis im Juli 2009 durch Rechtverordnung unter anderem geregelt, dass sich die Vergabe der „außerkapazitären Plätze“ an den Vergabekriterien im zentralen Vergabeverfahren zu orientieren hat, wenn die Hochschule für die Bewerber um diese Zulassungen entsprechende Ranglisten erstellt. Das Land Baden-Württemberg hat also auch die Vergabe der „außerkapazitären“ Studienplätze mit dem Notendurchschnitt der Hochschulzugangsberechtigung verknüpft. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat im Rahmen eines Normkontrollverfahrens in seinem Urteil vom 29.10.2009 (Aktenzeichen: 9 S 858/09) diese Verordnung gehalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederum in seinem Urteil vom 23.03.2011 (Aktenzeichen: 6 CN 3.10) die Rechtsprechung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigt und die Revision gegen das Urteil vom 29.10.2009 zurückgewiesen. Insbesondere verstoße die Auslegung der Verordnung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenen Gewährleistungen der Berufsfreiheit und der freien Wahl der Ausbildungsstätte. Die Vorschriften der Verordnung gewährleisten nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Interesse des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit, dass Studienplätze innerhalb und außerhalb der festgesetzten Kapazität nach möglichst gleichen Kriterien vergeben werden, ohne die Führung von Kapazitätsprozessen so zu erschweren, dass eine gerichtliche Kapazitätsüberprüfung und eine damit verbundene vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten zu unterbleiben droht.

Es steht zu vermuten, dass andere Bundesländer die baden-württembergische Regelung übernehmen werden. Orientiert sich aber die Zulassung auch für außerkapazitäre Plätze künftig am Notendurchschnitt der Hochschulzulassungsberechtigung, so dürfen insbesondere die medizinischen Fakultäten hoffen, nicht mehr jährlich mit hunderten oder tausenden von gerichtlichen Eilanträgen überschwemmt zu werden.

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