EuGH: Abschied von Ahlhorn!

Nur zur Erinnerung: Das OLG Düsseldorf (und ihm folgend einige Oberlandesgerichte und Vergabkammern) hält – zugespitzt formuliert – Vergaberecht immer dann für anwendbar, wenn der öffentliche Auftraggeber ein Grundstück veräußert und mit vertraglichen Instrumenten auf Ob und Wie der Errichtung eines Bauwerks einwirkt und hierbei (nur) seine eigenen politischen oder wirtschaftlichen Zielvorstellungen verwirklicht. So hat das OLG Düsseldorf in seiner wohl bekanntesten Entscheidung („Ahlhorn“) eine Ausschreibungspflicht bejaht, als die Bundesrepublik ehemalige Flugplatzgrundstücke verkaufte und die zuständige Kommune zugleich einen städtebaulichen Vertrag mit Bauverpflichtung mit dem Erwerber abschloss. In späteren Entscheidungen hat das OLG Düsseldorf im Ergebnis auf das Erfordernis einer „Bauverpflichtung“ verzichtet.

Diese sogenannten „Ahlhorn-Linie“ bewirkte eine erhebliche Rechtsunsicherheit im öffentlichen Bereich. Der Bundesgesetzgeber ist dem entgegengetreten, indem er mit Wirkung zum 24.04.2009 das Vergaberecht novellierte und unter anderem in § 99 Abs. 3 GWB als ausdrückliches Erfordernis aufnahm, dass der Auftraggeber eine ihm „unmittelbar wirtschaftlich zugute kommende Bauleistung durch Dritte“ beschaffe.

Der Europäische Gerichtshof hat nun mit Urteil vom 25.03.2010 (Rs C-451/08) die Neuformulierung des § 99 Abs. 3 GWB „gehalten“. Zudem ist der EUGH in weiteren Punkten der „Ahlhorn-Linie“ entgegengetreten.

Hervorgehoben sei nur Folgendes: Zwar setzten – so sinngemäß der EUGH – die europäischen Normen nicht voraus, dass die Bauleistung, die Gegenstand des Auftrags ist, in einem gegenständlichen oder körperlich zu verstehenden Sinn für den öffentlichen Auftraggeber beschafft wird, wenn sie diesem nur unmittelbar wirtschaftlich zugute kämen. Die Ausübung von städtebaulichen Regelungszuständigkeiten durch den öffentlichen Auftraggeber aber genüge nicht, um die letztgenannte Voraussetzung zu erfüllen. Ferner erfordere der Begriff der „öffentlichen Bauaufträge“ im Sinne des europäischen Rechts, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernehme und es sich um eine nach nationalem Recht einklagbare Verpflichtung handele.
Allzu lauter Jubel auf Seiten der öffentlichen Auftraggeber über die Entscheidung des EUGH wäre allerdings verfrüht. Zum einen zieht sich auch der EUGH keineswegs auf den Standpunkt zurück, dass sich das Vergaberecht auf die klassische „Beschaffung“ in einem gegenständlichen oder körperlich zu verstehenden Sinn beschränkt. Zum anderen ist zumindest für eine gewisse Übergangszeit damit zu rechnen, dass die Anhänger der „Ahlhorn-Linie“ bei den Gerichten und Vergabekammern zumindest in nicht eindeutigen Fällen versuchen werden, den Anwendungsbereich des Vergaberechts weiterhin auszudehnen. Hier ist noch mit mancher Überraschung zu rechnen.

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