Gebührenerhebung bei falschem Alarm

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss vom 16.04.2015 – 11 LA 138/14 über folgenden Fall entschieden, der auch bei der Auslegung des § 69 Abs. 2 Nr. 5 SächsBRKG herangezogen werden kann: Der Ehemann der Klägerin hatte die Polizei darüber informiert, dass sich der Neffe seiner Ehefrau unbefugt auf dem Grundstück der Eheleute aufhalte, nachdem dieser zuvor per Gerichtsbeschluss wegen Wahrnehmungsstörungen in ein Krankenhaus eingewiesen worden war. Den erschienenen Polizeibeamten teilte die Klägerin mit, dass ihr Neffe mit Selbstmord gedroht und das Grundstück in unbekannte Richtung verlassen habe. Die Polizei suchte ihn daraufhin mit einem Hubschrauber. Am Abend meldete ein Anwohner der Polizei, dass sich der Neffe bereits seit etwa zwei Stunden wieder auf dem klägerischen Grundstück befinde. Die Polizei fand ihn dort auf dem Dachboden, nachdem die Klägerin die Anwesenheit ihres Neffen zunächst geleugnet hatte. Die Beklagte zog die Klägerin zu den Kosten des Polizeieinsatzes ab dem Zeitpunkt heran, als der Neffe sich wieder auf dem Grundstück der Klägerin befand, da die Klägerin eine Gefahrenlage vorgetäuscht habe.

Das Verwaltungsgericht hatte den Kostenbescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Die von der Beklagten herangezogene Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung von Gebühren für den Polizeieinsatz setze voraus, dass die Amtshandlung infolge des Vortäuschens einer Gefahrenlage erforderlich geworden sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Dass die Klägerin die Beamten beim Eintreffen am Grundstück über die ihr gegenüber geäußerte Suizidabsicht ihres Neffen, die zu der Suchaktion geführt hat, täuschte, sei nicht ersichtlich und werde von der Beklagten auch nicht behauptet. Vielmehr sei davon auszugehen, dass tatsächlich eine Suizidgefahr des Neffen und damit eine Gefahrenlage bestanden haben. Die Kosten des Einsatzes ab dem Zeitpunkt, als der Neffe sich wieder auf dem klägerischen Grundstücks befand, seien nicht zu erstatten. Dass die Klägerin der Polizei die Beendigung der Gefahrenlage nicht mitgeteilt hat, sei nicht als Vortäuschen einer Gefahrenlage zu verstehen. Vortäuschen setze ein aktives Tun voraus. Daran fehle es, da die Klägerin in der Zeit zwischen ihrer ersten polizeilichen Befragung bis zum erneuten Eintreffen der Polizei nicht mehr polizeilich befragt worden war. Erst als die Polizei nach dem Hinweis eines Anwohners erneut die Klägerin aufsuchte, hatte sie bestritten, dass sich ihr Neffe im Haus befinde. Die Kosten des vor diesem Zeitpunkt liegenden Einsatzes beruhen daher nicht auf dieser falschen Aussage. Die unterlassene Benachrichtigung der Polizei über die erneute Anwesenheit ihres Neffen löse eine Gebührenpflicht ebenfalls nicht aus. Zum einen fehle es an einer eindeutigen, unmissverständlichen und für den Bürger vorhersehbaren Grundlage für die Gebührenerhebung bei Unterlassen, da nach dem eng auszulegenden Wortlaut eine aktive Täuschungshandlung erforderlich sei. Zum anderen fehle es an einer Handlungspflicht der Klägerin, deren Unterlassen eine Täuschung darstellen könnte. Es bestehe keine aus einem besonderen Vertrauensverhältnis herzuleitende Garantenstellung zur Information der Polizei über das Wiedereintreffen des Neffen.

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