Heranziehung zu Bestattungskosten

Der Verwaltungsgerichtshof Kassel und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatten jeweils über Kostenbescheide von Gemeinden zu entscheiden, in denen den primär bestattungspflichtigen Angehörigen die Kosten einer von der Gemeinde durchgeführten Bestattung auferlegt wurden.

Das OVG Lüneburg entschied mit Urteil vom 10.11.2011 (8 LB 238/10), dass die Gemeinde aufgrund der kurzen Fristen des Bestattungsgesetzes nicht verpflichtet ist, umfassende Recherchen zu allen Angehörigen durchzuführen. Vielmehr genüge eine telefonische Kontaktaufnahme mit den Angehörigen, um deren Bereitschaft abzuklären, die Bestattung durchzuführen. Bei der Auswahl des Kostenschuldners aus dem Kreise der als Gesamtschuldner haftenden Angehörigen stehe der Gemeinde ein weites Ermessen zu, das regelmäßig nur durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenzt wird.

Der VGH Kassel entschied mit Urteil vom 26.10.2011 (Aktenzeichen 5 A 1245/11) zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Gemeinde einen Bestattungspflichtigen nicht zu den entstandenen Bestattungskosten heranziehen darf. Auch wenn die Landesbestattungsgesetze keine Ausnahmen von der Kostentragungspflicht vorsehen, könne bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls das grundsätzliche Interesse der Allgemeinheit an der Übernahme der Bestattungskosten durch den Angehörigen hinter das Interesse des bestattungspflichtigen Angehörigen, von der Heranziehung zu den Kosten verschont zu bleiben, zurück treten. Dies könne aber nur dann der Fall sein, wenn diese Gründe so gewichtig sind, dass der eigentliche Bestattungspflichtige durch seine Heranziehung zu den Kosten unzumutbar belastet wird. Die Heranziehung eines Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten könne in diesem Sinne unverhältnismäßig sein in Fällen, in denen die Familienverhältnisse so nachhaltig gestört sind, dass die Übernahme der Bestattungskosten für den Pflichtigen als grob unbillig anzusehen ist. Dies komme allenfalls dann in Betracht, wenn ein strafrechtlich relevantes oder vergleichbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem bestattungspflichtigen Angehörigen vorliegt, wie es sich beispielsweise in Missbrauchsfällen oder vergleichbaren schwerwiegenden Verfehlungen ausdrücken kann. Allein die Tatsache der Entfremdung zwischen den Angehörigen, ein zerrüttetes familiäres Verhältnis, fehlende Nähe oder Unterhaltspflichtverletzungen von geringer Tragweite genügten für die Annahme der Unverhältnismäßigkeit nicht. Im vorliegenden Fall hatte die Gemeinde einen Bestattungspflichtigen zu den Kosten der Bestattung seines Vaters herangezogen, der seine Ehefrau und Mutter des Bestattungspflichtigen ermordet hatte, als der Bestattungspflichtige gerade 12 Jahre alt war. In diesem Ausnahmefall sei es unverhältnismäßig, den Bestattungspflichtigen die Kosten der Bestattung aufzuerlegen.

Der VGH Kassel wies abschließend darauf hin, dass ein möglicher Anspruch aus § 74 SGB XII gegen den Sozialhilfeträger die Unverhältnismäßigkeit nicht entfallen lasse. Die Gemeinde könne den Angehörigen daher nicht auf einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger verweisen, wenn dieser geltend macht, die Tragung der Bestattungskosten sei für ihn unverhältnismäßig.

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