Kein Demonstrationsverbot für das Gebiet der Stadt Heidenau

Nach den Ausschreitungen vor der Erstaufnahmeeinrichtung in der Stadt Heidenau am 21.08.2015 sprach das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit Allgemeinverfügung vom 27.08.2015 ein Verbot für alle öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel im gesamten Gebiet der Stadt Heidenau vom 28.08.2015, 14:00 Uhr bis zum 31.08.2015, 6:00 Uhr aus.

Die Behörde ging von einer unmittelbar bestehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, die mit Maßnahmen gegen die Störer mangels ausreichender Polizeikräfte nicht abgewendet werden könne. Im Eilverfahren hob das Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 28.08.2015 - 6 L 815/15 das Versammlungsverbot wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit auf. Der polizeiliche Notstand sei nicht hinreichend vorgetragen und belegt worden, da er nur mit vergangenen Geschehnisse begründet worden sei. Das für das gesamte Wochenende geltende Versammlungsverbot sei außerdem unverhältnismäßig, es seien lediglich drei Versammlungen angemeldet. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht, in nächster Instanz angerufen, entschied mit Beschluss vom 28.08.2015 - 3 B 276/15, dass die Allgemeinverfügung nur die Veranstaltung des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ betreffend unwirksam sei. Die Voraussetzungen für einen polizeilichen Notstand würden hier nicht vorliegen. Ob dies auch für die anderen Veranstaltungen gelte, ließ der Senat offen, da der Antragsteller im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nur an dieser Veranstaltung teilnehmen wollte und sich daher nur insoweit auf sein Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit berufen könne.

Mit Beschluss vom 29.08.2015 – 1 BvQ 32/15 hob das Bundesverfassungsgericht nach einer Folgenabwägung die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts auf: Das Verbot von Versammlungen im gesamten Stadtgebiet für das gesamte Wochenende wiege schwer. Aufgrund der jüngsten Geschehnisse und der aktuellen Berichterstattung komme der Stadt Heidenau für das derzeit intensiv diskutierte Thema des Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland und Europa besondere Bedeutung zu. Das für viele Bürger von Erwerbstätigkeit freie Wochenende sei oftmals die einzige Möglichkeit, sich am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung durch Versammlungen zu beteiligen. Insoweit gewähre die Versammlungsfreiheit das Recht, selbst zu bestimmen, wann und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll. Demgegenüber sei eine gleichwertige Beeinträchtigung von der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen nicht ersichtlich, da bereits ein polizeilicher Notstand, der ein vollständiges Verbot von Versammlungen für das ganze Wochenende und für das gesamte Stadtgebiet rechtfertigen könnte, nicht erkennbar gewesen sei.

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