Sächsisches Oberverwaltungsgericht

In seinem Beschluss vom 15.08.2022 – 5 B 228/22 hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht das durch das Landratsamt des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verfügte Verbot der Aufführung des Straßentheaters “Habeck-Prozess“ sowie des Mitführens hierbei vorgesehener Kundgebungsmittel, insbesondere einer Puppe und eines symbolischen Prangers, bestätigt.

Bei der „Aufführung“ sollte ein mit einem orangefarbenen Overall bekleideter Mann mit einem Sack über dem Kopf und in Handschellen in einem Fahrzeug gezeigt werden, welcher offenbar den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck darstellen soll, der nach einem vermeintlichen Urteilsspruch zu 16 Wochen Pranger auf dem örtlichen Markplatz verurteilt worden sei. Hierauf untersagte der Landkreis mittels Auflagen das Skandieren und Darstellen der Anklageschrift, die Verurteilung und prozessuale Behandlung von Personen des politischen Lebens im Rahmen des Straßentheaters "Habeck-Prozess" sowie das Mitführen von Kundgebungsmitteln zum Zweck der Durchführung des Straßentheaters, insbesondere Puppen, symbolische "Pranger" oder anderer Gegenstände sowie Tonaufnahmen, die der Darstellung "Habeck-Prozess" dienen.

Das Verwaltungsgericht Dresden hatte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen gerichteten Widerspruchs abgelehnt. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück. Zwar schütze Art. 8 Abs. 1 GG die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Allerdings gelte die Versammlungsfreiheit nicht einschränkungslos. Vielmehr könne nach Art. 8 Abs. 2 GG dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Ein solches Gesetz stelle § 15 Abs. 1 SächsVersG dar, wonach die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Beschränkungen abhängig machen kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Dabei seien Eingriffe in die Versammlungsfreiheit nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig.

Danach sei der Bescheid über die Untersagung der geplanten Aufführung zu Recht erfolgt, da dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Vorrang gegenüber dem Recht des Antragstellers und der Versammlungsteilnehmer gebühre. Ein milderes Mittel als eine Untersagung habe dem Landratsamt nicht zur Verfügung gestanden. Gegenüber einer auf die Person abzielenden öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setze die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nehme hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträger nicht aus. Auch hier seien Äußerungen desto weniger schutzwürdig, je mehr sie sich von einem Meinungskampf in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen wegbewegen und die Herabwürdigung der betreffenden Personen in den Vordergrund tritt. Eine die Menschenwürde beeinträchtigende Schmähung sei gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit sei umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht.

Gemessen daran komme bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls eine Abänderung der Auflagen als milderes Mittel nicht in Betracht. Die Durchführung eines Straßentheaters mit der zumindest teilweisen Darstellung eines gerichtlichen Prozesses, die Person Robert Habeck betreffend, sei vorliegend nicht mehr ohne Verletzung der Menschenwürde möglich. Dies folge aus der in die Gesamtbetrachtung einzustellenden Bewertung des Videos, mit dem die im Rahmen der Versammlung beabsichtigte Aufführung des Straßentheaters beworben wurde und das eine isolierte Betrachtung allein des geplanten Straßentheaters ausschließt. Das medial bekannt gewordene und nach wie vor zumindest in stehenden Bildern im Internet verfügbare "Habhaftwerden" der Person des Bundeswirtschaftsministers dergestalt, dass er einen orangefarbenen Overall trägt und mit einem Sack über dem Kopf sowie mit Handschellen gefesselt auf dem Boden eines Lieferwagens liegt, stelle bereits eine Herabwürdigung der dargestellten Person zum Objekt ohne jedweden politischen Diskurs dar. Die dadurch hervorgerufene Verächtlichmachung der Person schließe von vornherein die Darstellung eines im Detail wie auch immer gearteten, die Menschenwürde beachtenden gerichtlichen Verfahrens in Form eines Schauspiels aus. Dies werde dadurch untermauert, dass in dem Video das Ergebnis des Straßentheater-Prozesses bereits vorweggenommen wurde - nämlich 16 Wochen Pranger auf dem örtlichen Marktplatz, wobei die ausgesprochene Strafe bereits für sich genommen ausschließlich der Verächtlichmachung diene und die Möglichkeit öffentlicher Schmähungen ermöglichen solle. Bei sowohl menschenunwürdigen Verhältnissen des Habhaftwerdens als auch bei bereits vor dem Gerichtsverfahren feststehendem Urteil, das allein der Verächtlichmachung zu dienen bestimmt sei, komme keine den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrende Änderung der Auflagen für die Durchführung des Theaterstücks in Betracht.

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