Verwaltungsgericht Magdeburg: Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Abfallentsorgung

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 16.12.2021 (Az.: 7 A 509/20 MD) entschieden, dass § 7 Abs. 1 der Verordnung über die Bewirtschaftung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau-und Abbruchfällen (Gewerbeabfallverordnung -GewAbfV) i. d. F. vom 18.04.2017 (BGBl. I S. 896) eine widerlegliche Vermutung enthält, dass bei jedem Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle auch Abfälle zur Beseitigung anfallen.

Die Klägerin des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg führt einen Gewerbebetrieb, zu dessen Aufgaben Regalaufbauten, Maler- und Trockenarbeiten sowie die Lebensmittelverräumung ge-hören. Sie wurde zu Abfallgebühren herangezogen. Sie rügt die Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheides u. a. mit der Behauptung, im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit würden Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen nicht anfallen, weshalb für ihren Gewerbebetrieb ein satzungs-rechtlich geregelter Anschluss- und Benutzungszwang für diese Abfälle nicht bestehe. Dieser Auffassung folgte das Verwaltungsgericht Magdeburg nicht.

Der Anschlusszwang gemäß § 19 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG) i. d. F. vom 24.02.2012 (BGBl. I S. 212) und der Benutzungszwang gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG hinsichtlich des „Ob“ sind bereits bundesrechtlich abschließend geregelt. Dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger als Ortsgesetzgeber obliegt lediglich die Ausgestaltung („Wie“) des so grundsätzlich vorgegebenen An-schluss- und Benutzungszwanges. Er kann insbesondere bestimmen, in welcher Art und Weise, an welchem Ort und zu welcher Zeit ihm die Abfälle zu überlassen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AbfG LSA).

Eine hiernach getroffene Bestimmung des Satzungsgebers ist wegen des diesem zustehenden Regelungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar; und zwar grundsätzlich nur dahingehend, dass die Regelung vom Einrichtungszweck gedeckt sein muss und weder den Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit noch Grundrechte der Betroffenen verletzen darf. Das Gericht darf dagegen nicht überprüfen, ob die vom Satzungsgeber gewählte Regelung die zweckmäßigste oder vernünftigste ist.

Die maßgebliche Abfallentsorgungssatzung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in dem durch das Verwaltungsgerichts Magdeburg entschiedenen Klageverfahren bestimmte, dass jeder Eigentümer eines im Gebiet des Landkreises liegenden Grundstücks, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen, verpflichtet ist, sein Grundstück an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung anzuschließen, wenn das Grundstück von privaten Haushaltungen zu Wohnzwecken genutzt wird (Anschlusszwang). Die Abfallentsorgungssatzung bestimmte weiter, dass auch Eigentümer von Grundstücken und Abfall-erzeuger/Abfallbesitzer auf Grundstücken, die nicht zu Wohnzwecken, sondern beispielsweise gewerblich, genutzt werden, gleichermaßen die Verpflichtung von privaten Haushaltungen haben, soweit auf diesen Grundstücken überlassungspflichtige Abfälle anfallen. Diese Regelung begegnet nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg keinen rechtlichen Bedenken.

Überlassungspflichtige Abfälle sind nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG Abfälle aus privaten Haushaltungen, soweit sie zu einer Verwertung auf den von dem Erzeuger oder Besitzer von Abfällen im Rahmen seiner privaten Lebensführung genutzten Grundstücken nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Diese Regelung gilt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG auch für Erzeuger und Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen, soweit sie diese nicht in eigenen Anlagen beseitigen. Diesen rechtlichen Vorgaben entspricht die den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildende Abfallentsorgungssatzung.

Die letzteren Voraussetzungen der Satzung lagen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg im Fall der Klägerin vor, weil davon auszugehen sei, dass auf ihrem Grundstück Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen anfallen. Die Klägerin könne sich nicht darauf zurückzuziehen, im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit würden Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen nicht anfallen, weshalb für den Gewerbebetrieb ein Anschluss- und Benutzungszwang für diese Abfälle nicht bestehe. Gemäß § 7 Abs. 1 GewAbfV hätten Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen, die nicht verwertet werden, diese dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG zu überlassen. § 7 Abs. 1 GewAbfV enthalte- um die Überlassungspflichten nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG umfassend durchzusetzen - eine widerlegliche Vermutung, dass bei jedem Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle auch Abfälle zur Beseitigung anfallen. Die Adressaten der Norm könnten jedoch im Einzelfall nachweisen, dass bei ihnen keine Beseitigungsabfälle anfallen; in diesem Fall unterlägen sie keiner Behälterbenutzungspflicht. Für den Fall, dass sich nicht beweisen lasse, dass bei einem Erzeuger oder Besitzer von gewerblichen Siedlungs-abfällen entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung keinerlei Abfall zur Beseitigung anfällt, gehe dies zu Lasten des Abfallerzeugers und -besitzers mit der Folge, dass grundsätzlich Restmüllgefäße der kommunalen Abfallentsorgung nach § 7 Abs. 1 GewAbfV bereitzuhalten sind.

Aufgrund der Aufgabenschwerpunkte der Klägerin (Regalaufbauten, Maler- und Trockenarbeiten sowie die Lebensmittelverräumung) sei diese Erzeugerin und Besitzerin von gewerblichen Siedlungsabfällen i. S. d. § 2 Nr. 1 GewAbfV i. V. m. Kapitel 20 der Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung (u.a. Papier und Pappe, Holz sowie Farben), weshalb diese die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 1 GewAbfV gegen sich gelten lassen müsse. Diese Vermutung habe die Klägerin auch nicht widerlegt. Diese behaupte zwar, dass in ihrem Betrieb keine überlassungspflichtigen Abfälle zur Beseitigung anfallen. Das Verwaltungs-gericht könne dieser schlichten Behauptung jedoch nicht folgen. Die Geschäftsräume der Klägerin befänden sich auf dem anschlusspflichtigen Grundstück und dienten ausweislich des Internetauftritts der Klägerin offensichtlich der Abwicklung von Aufträgen nebst Rechnungslegung und Buchhaltung, der Betreuung von Kunden sowie der Gewinnung von Neukunden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung würden dabei grundsätzlich nicht verwertbare Abfälle zur Beseitigung wie so genannter Sozialmüll, Küchen-abfälle und Büroabfälle (z.B. Kugelschreibermienen) anfallen. Dafür, dass dies - etwa angesichts des Betriebsverlaufs im Geschäft - ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte und solche Abfallfraktionen, auch in geringen Mengen, nicht anfallen, fehlten jegliche Anhaltspunkte. Dass die Klägerin in der Lage ist, sämtliche Abfälle zur Beseitigung vollständig und ordnungsgemäß zu verwerten, habe diese bereits nicht vorgetragen.

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