Verwaltungsgericht Magdeburg: Differenzierende Einwohnergleichwerte und für die Abfallgebührenbedarfsberechnung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 17.03.2022 entschieden, dass es rechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn sich die für die für die Abfallentsorgung zuständige Körperschaft bei der Bestimmung von Einwohnergleichwerten für Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen einer Differenzierung nach der Art des Gewerbebetriebes bzw. der öffentlichen Einrichtung bedient.

Gegenstand des Verfahrens war die Klage eines privates Museum, in dem in der ehemaligen DDR hergestelltes bzw. vertriebenes Spielzeug ausgestellt wird, betreibenden eingetragenen Vereins gegen einen Bescheid über die Festsetzung von Abfallgebühren für den Erhebungszeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020. Rechtsgrundlage für den Abfallgebührenbescheid ist eine rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft Abfallgebührensatzung von März 2022.

Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die auf dem Grundstück des Vereins anfallenden Abfälle Siedlungsabfälle nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG und § 7 Abs. 1 GewAbfV seien, weil es sich um Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen bzw. um gewerbliche Siedlungsabfälle im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. a GewAbfV handle. Es sei davon auszugehen, dass auf dem vom Verein genutzten Grundstück, auf dem das private Museum betrieben wird, grundsätzlich auch Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen anfallen würden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung fielen auch bei einem Betrieb eines Museums grundsätzlich nicht verwertbare Abfälle zur Beseitigung wie sog. Sozialabfall, Küchenabfälle und Büroabfälle an.

Die maßgebliche Abfallgebührensatzung des Aufgabenträgers sieht für die Beseitigung von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen die Berechnung auf der Grundlage sog. Einwohnergleichwerte vor. Bei der Bestimmung der Einwohnergleichwerte enthält die Abfallgebührensatzung eine Differenzierung nach der Art des Gewerbetriebes bzw. der öffentlichen Einrichtung. In der Gebührensatzung werden die Grundstücke, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen, in 12 verschiedene Kategorien eingeteilt (z. B. Krankenhäuser, Beherbergungsbetriebe, Speisewirtschaften, Lebensmitteleinzel- und Großhandel, Bildungseinrichtungen) und für jede Kategorie ein Maßstab und ein Einwohnergleichwert (EWG) festgelegt. Danach ergibt sich unter anderem für Krankenhäuser ein Maßstab von einem EWG je 4 Betten/Pflegeplätze, jedoch mindestens ein EWG und je 4 Beschäftigte, jedoch mindestens ein EWG; für öffentliche Verwaltungen, Museen, Geldinstitute, Verbände, Krankenkassen, Versicherungen, selbständig Tätige der freien Berufe, selbständige Handels-, Industrie und Versicherungsvertreter, Apotheken, Einrichtungen von Vereinen, politischen Parteien und Religionsgemeinschaften, je vier Beschäftigte, jedoch mindestens ein EWG. Für Sport- und Freizeitstätten, Erholungszentren sind für je vier Beschäftigte, jedoch mindestens ein EWG anzusetzen.

Grundsätzlich ist es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg nicht zu beanstanden, wenn sich der Aufgabenträger bei der Bestimmung von Einwohnergleichwerten für Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen einer Differenzierung nach der Art des Gewerbebetriebes bzw. der öffentlichen Einrichtung bedient, da in Abhängigkeit von dem ausgeübten Gewerbe oder der öffentlichen Einrichtung nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine unterschiedliche Menge von überlassungspflichtigem Abfall anfallen kann. Die Berechnung auf der Grundlage von sog. Einwohnergleichwerten stelle dabei einen anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KAG LSA dar (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 26.07.2002 – 2 L 86/02).

Ferner hat sich das Verwaltungsgericht Magdeburg in seinem Urteil vom 17.03.2022 mit der Frage befasst, welche tatsächlichen Verhältnisse der Satzungsgeber bei der Berechnung des Gebührensatzes in einer rückwirkend und einen abgelaufenen Heranziehungszeitraum erfassenden Gebührensatzung zugrunde zu legen hat. Es hat hierzu ausgeführt, dass auch bei einer rückwirkenden Gebührensatzung, die eine aus materiellen Gründen nichtige Gebührensatzung ersetzt, für die gerichtliche Prüfung grundsätzlich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses abzustellen sei. Soweit der Gültigkeitszeitraum der Gebührensatzung allerdings in der Vergangenheit liegt, komme für die Berechnung des Gebührensatzes keine echte Vorauskalkulation mehr in Betracht. Demnach sei der Gebührensatz mit Blick auf das Kostenüberschreitungsverbot auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses unter Heranziehung der bis dahin bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse und Maßstabseinheiten („harte Zahlen“) zu beurteilen.

Fragen zum Thema?

Kontaktieren Sie uns gern über unser Kontaktformular und stellen Sie uns Ihre Fragen.

Kontaktformular