Verwaltungsgericht Magdeburg: Festlegung von Mindesteinwohnergleichwerten für Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 16.12.2021 (Az.: 7 A 509/20 MD) entschieden, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, wenn sich der Satzungsgeber bei der Festlegung von Mindesteinwohnergleichwerten für Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen einer Differenzierung nach der Art des Gewerbebetriebes bzw. der öffentlichen Einrichtung bediene, da in Abhängigkeit von dem ausgeübten Gewerbe oder der öffentlichen Einrichtung nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine unterschiedliche Menge von überlassungspflichtigem Abfall anfallen könne. Dies entspreche mit Blick auf Art. 3 Abs. GG auch dem satzungsgeberischen Ermessen, wonach bei festgestellter ungleicher Betroffenheit nur zu fragen sei, ob für die Differenzierung oder Nichtdifferenzierung sachlich einleuchtende Gründe bestehen, nicht hingegen, ob der Satzungsgeber die jeweils zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden habe. In Betracht zu ziehen seien bei einem solchen Modell Volumenvorgaben mittels Einwohnergleichwerten, die branchenspezifische Einwohnergleichwerte in Abhängigkeit von Mitarbeiterzahl, Betriebsfläche oder ähnlichem definieren (zur Zulässigkeit eines solchen Modells: BVerwG, Beschl. v. 19.12.2007 - 7 BN 6.07).

Diesem Satzungsvorbehalt wird eine Regelung in einer Abfallgebührensatzung nicht gerecht, wonach für Grundstücke, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen und die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, die Gebühr für die Entsorgung nach der Zahl der dem Gebührenschuldner zu zurechnenden Einwohnergleichwerten (EWG) bei einer 14-täglichen Abholung entsprechend einer Anlage zur Abfallgebührensatzung bemessen wird. Die den Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg bildende Anlage zur Abfallgebührensatzung enthält eine tabellarische Übersicht, die Grundstücke, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen, in 12 verschiedene Kategorien einteilt (beispielsweise Krankenhäuser, Beherbergungsbetriebe, Speisewirtschaften, Lebensmittel-einzel- und Großhandel, Bildungseinrichtungen sowie Kleingartenanlagen) und für jede Kategorie einen Maßstab und einen Mindesteinwohnergleichwert festgelegt. Danach ergibt sich unter anderem für Krankenhäuser ein Maßstab von mindestens 4,0 Einwohnergleichwerten, für Beherbergungsbetriebe ein Maßstab von mindestens 1,0 Einwohnergleichwerten und für Kleingartenanlagen je 10 Parzellen in einer Kleingartenanlage ein Maßstab von mindestens 1,0 Einwohnergleichwerten.

Mit den in der Abfallgebührensatzung i. V. m. der Anlage zur Abfallgebührensatzung enthaltenen Berechnungsparametern als Bestandteil des Gebührenmaßstabes lässt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg für den einzelnen Gebührenschuldner als Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem gewerblichem Siedlungsabfall bzw. Abfall aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushalten die Gebührenhöhe nicht hinreichend bestimmen.

Dieser in der Anlage festgelegte Maßstab verhindert nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg für den Gebührenschuldner die Bemessung der Gebührenhöhe, denn der Entsorgungsträge regele mit der gewählten Formulierung („mindestens“) lediglich die untere Grenze der danach festzusetzenden Einwohnergleichwerte. Dem festgelegten Maßstab lasse sich dabei aber für die weit überwiegende Zahl der Anwendungsfälle nicht entnehmen, nach welchen Bezugsgrößen (wie beispielsweise Mitarbeiterzahl oder Betriebsfläche) der jeweilige Mindesteinwohnergleichwert festgelegt wurde. Lediglich für die Campingplätze und Kleingartenanlagen sei im Ansatz eine Bezugsgröße angegeben (Zahl der Stellplätze bzw. Zahl der genutzten Parzellen).

Die fehlenden Bezugsgrößen verhindern nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg auch in einem nächsten Schritt, zu erkennen, welche Fälle über den Mindesteinwohnergleichwert hinausgehen und nach welchen Parametern sich die Gebührenschuld für den konkreten Fall dann errechnet. So sei beispielsweise in Nr. 1 der Anlage zur Abfallgebührensatzung für Krankenhäuser, Kliniken, Heime und ähnliche Pflegeeinrichtungen ein Gebührenmaßstab von mindestens 4,0 Einwohnergleichwerten festgelegt worden. Gehe man aber von dem Regelfall aus, dass mehr überlassungspflichtiger Abfall anfällt, je mehr Menschen sich an einem Ort aufhalten, so müsse es für die Berechnung der anzusetzenden Einwohnergleichwerte einen Unterschied machen, ob die Abfallgebühr für ein Krankenhaus mit über 300 Krankenhausbetten und ca. 500 Beschäftigten zu berechnen ist oder für eine Pflegeeinrichtung mit 30 vollstationären Pflegeplätzen und ca. 20 Beschäftigten. In beiden Fällen werde jedenfalls der Einwohnergleichwert von 4,0 der Menge des angefallenen überlassungspflichtigen Restabfalls nicht gerecht. Mit welchen Berechnungsparametern dem unterschiedlichen überlassungspflichtigen Abfallaufkommen innerhalb der Nr. 1 der Anlage zur Abfallgebührensatzung Rechnung getragen werden soll, lasse sich weder aus der Abfallgebührensatzung noch der Anlage selber entnehmen. Auch die Erläuterungen zur Anlage zur Abfallgebührensatzung gäben darüber keinen Aufschluss. Diese beschränkten sich auf Erklärungen zu den Begriffen „Beschäftigte“ und „gewerbliche Siedlungsabfälle“. Sowohl für das gebührenpflichtige Krankenhaus als auch für die gebührenpflichtige Pflegeeinrichtung lasse sich nach den maßgeblichen Regelungen beispielhaft die Höhe der Gebührenschuld nicht berechnen.

Aus diesem Grund bestünden in der Abfallgebührensatzung keine ausreichenden Regelungen darüber, nach welchen Berechnungsparametern der Entsorgungsträger die Einwohnergleichwerte für überlassungspflichtige gewerbliche Siedlungsabfälle festlegt. Auch der Abfallentsorgungssatzung lasse sich weder nach dem Wortlaut noch durch Auslegung einer Regelung entnehmen, wonach die Bemessung der Einwohnergleichwerte hinreichend bestimmt ermittelt werden kann. Da dem Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen nicht bekannt sei, wieviel Abfallvolumen dieser für seinen Gewerbebetrieb bzw. seine Einrichtung zu Grunde legen muss, lasse sich daraus auch nicht die Gebührenhöhe berechnen. Der Entsorgungsträger könne daher in diesen Fällen einzelfallbezogene Entscheidungen treffen, ohne dass der einzelne Gebührenschuldner unter Anwendung des Gebührensatzes voraussehbar die Gebührenhöhe berechnen könne. Dies genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen an einen rechtmäßigen Gebührenmaßstab.

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