Abbruchverfügung für verfallene bauliche Anlagen?

In vielen Städten und Gemeinden gibt es Gebäude, die langsam verfallen und das Ortsbild erheblich beeinträchtigen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und dürften in kleineren Gemeinden insbesondere in der Demografie und der mangelnden Leistungsfähigkeit liegen. Die bisherigen bauaufsichtlichen Befugnisnormen erlauben Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer meist nur dann, wenn ein Einschreiten zur Abwehr von konkreten Gefahren für Personen oder Sachen erforderlich ist. Unterhalb dieser Schwelle kann die Behörde gegen irgendwann einmal rechtmäßig errichtete bauliche Anlagen kaum erfolgreich vorgehen.

Einige Bundesländer haben auf diesen Zustand reagiert und ihre Landesbauordnungen geändert. Zum Beispiel hat Bremen zum 01.05.2010 eine Regelung in die Bremer Bauordnung aufgenommen, wonach die Bauaufsichtsbehörde den Abbruch oder die Beseitigung von baulichen Anlagen anordnen kann, soweit diese Anlagen nicht genutzt werden und im Verfall begriffen sind, es sei denn, dass ein öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse an ihrer Erhaltung besteht. Ähnliche Befugnisnormen haben die Länder Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland eingeführt. Mit diesen Regelungen sollen die Bauaufsichtsbehörden in die Lage versetzt werden, eine Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes zu verhindern und dem Verfall von Gebäuden zu begegnen. Für eine Abbruchverfügung nach diesen Vorschriften müssen die Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Zunächst darf die Anlage tatsächlich nicht genutzt werden, wobei unerheblich ist, worauf die Nichtnutzung zurückzuführen ist. Diese Nichtnutzung muss außerdem von einer gewissen Dauer sein. Im Verfall begriffen sind bauliche Anlagen nach Ansicht des OVG Koblenz, AZ: 1 A 11193/98, wenn die bauliche Substanz beeinträchtigt ist und eine Vergrößerung der vorhandenen Schäden zu erwarten ist, ohne dass eine völlige Unbrauchbarkeit oder Zerstörung der Bausubstanz eingetreten sein müsste. Einige Gesetzesbegründungen geben etwas abweichende Definitionen an. Bereits verfallene Anlagen sollen ebenfalls unter den Anwendungsbereich der Norm fallen. Die weitere Rechtsprechung wird voraussichtlich mehr Sicherheit zur Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe bringen. Liegen die Voraussetzungen vor, steht die Entscheidung über den Abbruch im Ermessen der Behörde, sodass z. B. die Beschränkung des Abbruchs auf Gebäudeteile geboten sein kann.

In den drei mitteldeutschen Bundesländern existieren solche Eingriffsbefugnisse allerdings noch nicht. Unterhalb der Schwelle der Gefahrenabwehr können die Bauaufsichtsbehörden in diesen Bundesländern nur nach § 179 Abs. 1 Nr. 2 BauGB vorgehen. Danach kann die Gemeinde den Eigentümer verpflichten, zu dulden, dass eine bauliche Anlage im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ganz oder teilweise beseitigt wird, wenn Missstände oder Mängel vorhanden sind, die auch durch eine Modernisierung oder Instandsetzung nicht behoben werden können. Missstände in diesem Sinne liegen nur vor, wenn die bauliche Anlage nicht den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entspricht, § 177 Abs. 2 BauGB. Mängel setzen voraus, dass durch Abnutzung, Alterung, Witterungseinflüsse oder Einwirkungen Dritter die bestimmungsgemäße Nutzung der baulichen Anlage nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird, § 177 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB. Nachteil dieser städtebaulichen Regelung ist zum einen, dass sie einen Bebauungsplan voraussetzt, der in den betroffenen Innenstadtbereichen häufig nicht vorhanden ist, und zum anderen, dass nur eine Duldungspflicht des Eigentümers besteht. Der Abbruch hat daher auf Kosten der Gemeinde zu erfolgen. Nach den neu eingeführten Ermächtigungen in den Landesbauordnungen kann der Eigentümer dagegen verpflichtet werden, das Gebäude selbst und auf eigene Kosten zu beseitigen.

Da das Problem der verfallenen baulichen Anlagen aufgrund der geringen Geburtenraten und der hohen Wegzugsrate in den neuen Bundesländern voraussichtlich zunehmen wird, wäre es wünschenswert, wenn auch die mitteldeutschen Bundesländer die Einführung entsprechender Befugnisnormen in Betracht ziehen würden.

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