AG Hamburg-Bergedorf – Antrag auf Stiefkindadoption ohne Aufklärung über den leiblichen Vater (mit Anmerkung von Prof. Dr. Marc Eckebrecht, Berlin)

In seinem Beschluss vom 28.11.2022 (Az.: 415c F 15/19) stellte das AG Hamburg-Bergedorf fest, dass in der Regel begründete Zweifel daran bestehen, dass eine geplante Adoption eines Kindes dessen Wohl i.S.d. § 1741 Abs. 1 BGB dient, wenn es nicht darüber aufgeklärt wurde, dass der Annehmende nicht sein leiblicher Vater ist.

Im vorliegenden Fall sollte die 10-jährige Anzunehmende von ihrem Stiefvater adoptiert werden, welcher mit der Kindesmutter seit deren Schwangerschaft als Paar zusammenlebt und fünf Jahre nach Geburt der Anzunehmenden mit der Mutter die Ehe schloss. Seit ihrer Geburt behandelte der Annehmende die Anzunehmende als leibliches Kind. Die Annehmende wurde bislang nicht darüber aufgeklärt, dass der Annehmende nicht ihr leiblicher Vater ist.

Bei der Entscheidung über die Adoption ist der Wille des anzunehmenden Kindes zu berücksichtigen. Dieser Wille kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht vollumfänglich gebildet werden, ohne von der eigenen Abstammung zu wissen. Die Kenntnis der eigenen Abstammung kann für die Entwicklung der Persönlichkeit von erheblicher Bedeutung sein, sodass die Voraussetzung der Kindeswohlförderung des § 1741 Abs. 1 BGB ohne eine vorherige Aufklärung nicht gegeben sein könne.

In seiner Anmerkung zu der Entscheidung kritisiert Prof. Dr. Marc Eckebrecht, dass das Gericht die vorherige Aufklärung des Kindes über seine väterliche Abstammung quasi zur zwingenden Adoptionsvoraussetzung macht, was seinerseits mittelbar zu einem Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Erziehungsautonomie führen kann. Die Entscheidung zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung Rechnung getragen wird, obliegt nicht dem Gericht sondern ist den Eltern überlassen.

Des Weiteren kritisiert Eckebrecht, dass durch die Ansicht des Gerichts ein lebensfremder und dementsprechend ungerechtfertigter Unterschied im Vergleich zu Sachverhalten entsteht, in denen der Annehmende die Mutter noch vor der Geburt des anzunehmenden Kindes geheiratet hätte. Wäre dies der Fall, so würde die Vaterschaft des Annehmenden durch § 1592 Nr. 1 BGB begründet, ohne dass es der Aufklärung über die leiblichen Verwandtschaftsverhältnisse bedürfe.

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