Bundesarbeitsgericht: Untiefen des Urlaubsrechts

Manche meinen – mehr oder weniger ernst – das Urlaubsrecht gehöre zu den schwierigsten Rechtsgebieten des Arbeitsrechts. Diese Einschätzung mag auch daher rühren, dass man sich schon im Hinblick auf den Einfluss des Unionsrechts nicht auf den Blick in das (nationale) Gesetzesrecht verlassen darf (wobei dieses „Rechtsfindungsproblem“ nicht nur im Urlaubsrecht auftritt). Folgender für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer wissenswerter Sachverhalt wirft darauf ein Schlaglicht:

Ein Wissenschaftler wurde von einem Arbeitgeber im Monat Oktober gebeten, rechtzeitig vor Beendigung des zum Jahresende auslaufenden Arbeitsvertrags die noch dem Arbeitnehmer zustehenden 53 Tage Urlaub zu nehmen. Der fleißige Wissenschaftler nahm aber nur zwei Tage Urlaub und verklagte anschließend seinen Arbeitgeber auf Abgeltung der 51 nicht genommenen Urlaubstage. Nun wähnte sich der Arbeitgeber auf der sicheren Seite, denn nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres, wenn – wie in dem zu entscheidenden Fall – keine Übertragungsansprüche nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Nach diesen Regelungen ist (jedenfalls in der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts) der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und den Arbeitnehmer damit zum Urlaub zu zwingen. Der Arbeitgeber verlor aber gleichwohl in der I. und II. Instanz, weil die Vorinstanzen das nationale Recht u.a. unter Bezugnahme auf das Unionsrecht (Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003 - "Arbeitszeitrichtlinie") anders auslegten.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun die Frage der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (EuGH-Vorlage vom 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A)).

Ganz sicher verbleiben auch nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Urlaubsrecht noch hinreichend nicht erkannte „Untiefen“. Zumindest die hier geschilderte Konstellation sollten aber Arbeitgeber wie Arbeitnehmer bereits jetzt mit erhöhter Aufmerksamkeit behandeln.

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