Bundeverwaltungsgericht: Straßengebundener Transport von Klärschlamm zur kommunalen Kläranlage kann den Regelungen des Kreislaufwirtschaftsrechts unterfallen

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23.06.2022 (7 C 3.21, NVwZ 2023, 98) entschieden, dass der straßengebundene Transport von Abwasser dem Kreislaufwirtschaftsgesetz auch dann unterliegen kann, wenn vor und nach dieser Beförderung eine Abwasserbeseitigung stattfindet und insoweit das Wasserhaushaltsgesetz gilt.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war das Begehren eines Pharmaunternehmens festzustellen, dass der Transport von Klärschlamm in einem Saug- und Pumpfahrzeug von ihrer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage nicht den Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unterfällt.

Das Unternehmen unterhält einen Anlagenstandort, der eine Produktionsanlage für die Herstellung von biopharmazeutischen Wirkstoffen sowie eine Zentrale Abwasserbehandlungsanlage (ZABA) umfasst. In der ZABA erfolgt eine mechanische Abtrennung von Feststoffen, sodann eine Eindickung mit gravimetrischen Verfahren durch eine Einleitung in ein Becken zum weiteren Absetzen von Feststoffen, schließlich das Abschöpfen des flüssigen Teils und dessen erneute Verwendung als Produktionswasser. Der übrig bleibende Rest weist einen Anteil Trockensubstanz von maximal 5–6 Prozent auf. In der von der Betriebsstätte des Unternehmensÿca. fünf km entfernten kommunalen Kläranlage wird dieser Stoff zusammen mit anderem Schlamm weiterbehandelt, nachdem er von einem Saug- und Pumpfahrzeug aufgenommen und über öffentliche Straßen dorthin transportiert worden ist.

Zunächst stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es sich bei dem Klärschlamm um Abfall i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG handelt, weil hier der Wille zur Entledigung des Unternehmens als Besitzer des Klärschlamms nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrWG anzunehmen sei. Nach dieser Vorschrift ist der Wille zur Entledigung hinsichtlich solcher Stoffe anzunehmen, die bei der Behandlung von Stoffen anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist.

Bei dem in Rede stehenden Klärschlamm handelt es sich um einen Rückstand aus der Abwasserbehandlung. Der Schlamm fällt bei der Reinigung des in den Produktionsabläufen verwendeten Wassers durch die am Produktionsstandort betriebene ZABA an. Der Klärschlamm ist demnach gerade nicht das Zielprodukt des Aufbereitungsprozesses, sondern stellt vielmehr den Rückstand nach der Gewässerreinigung dar.

Der Klärschlamm wird nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts während seines Transports von der privaten zur kommunalen Abwasseranlage nicht vom § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG erfasst, wonach die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsrechts nicht für Stoffe gelten, sobald sie in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden.

Die Ausschlussregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG bezweckt die Anwendung von Wasserrecht, wenn Stoffe in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht werden, weil dieses speziell auf derartige Fallkonstellationen und den Schutz des Umweltmediums Wasser ausgerichtet ist (vgl. BT-Drs. 17/6052, 70). Dies setzt einen funktionalen Zusammenhang der Maßnahme mit dem Abwasserbeseitigungsprozess voraus. Dieser Prozess umfasst jeden Vorgang, der dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen, namentlich die Schadstofffracht im Abwasser zu reduzieren.

Zwar gelte, so das Bundesverwaltungsgericht, während der Behandlung des Abwassers, also hier des durch gewerblichen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderten Wassers (vgl. § 54 WHG Abs. 1 Satz 1 WHG), in der ZABA das Wasserhaushaltsgesetz. Die Abwasserbeseitigung ende jedoch mit der Entnahme der Stoffe durch ein Saug- und Pumpfahrzeug aus der ZABA und beginne erst wieder – nach dieser Zäsur – mit dem Einbringen der Stoffe in die kommunale Kläranlage. Während der Zwischenphase des Transports der Stoffe auf der Straße von der ZABA zur kommunalen Kläranlage sei der Abwasserbeseitigungsprozess unterbrochen. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich bei den entnommenen Stoffen um Abwasser, Roh- oder Klärschlamm handelt. Während des straßengebundenen Transports im Saug- und Pumpfahrzeug zur kommunalen Kläranlage finde keine Abwasserbeseitigung statt.

Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung des Berufungsgerichts (hier: Verwaltungsgerichtshof Mannheim) entgegengetreten, bei dem Saug- und Pumpfahrzeug, mit dem die Stoffe entnommen und transportiert werden, handle es sich um eine Abwasseranlage i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG. Der Begriff der Abwasseranlage setze eine Abwasserbeseitigung voraus (vgl. auch § 60 Abs. 2 WHG). Das Fahrzeug diene ausschließlich dem Abpumpen und dem Transport des in der ZABA behandelten Wassers. Eine Behandlung der entnommenen Stoffe finde in dem Wagen nicht statt.

Auch ein „Sammeln“ von Abwasser i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG liege bei der Beförderung der Stoffe zur kommunalen Abwasseranlage durch das Saug- und Pumpfahrzeug nicht vor. Als „Sammeln“ im Sinne dieser Vorschrift werde das Zusammenführen von Abwasser aus unterschiedlichen Anfallorten durch Sammelleitungen sowie das Sammeln von Abwasser aus geschlossenen Gruben mit Fäkalienwagen und das Sammeln von Schlamm aus Kleinkläranlagen verstanden. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht gegeben. Ein Sammelvorgang – bezogen auf unterschiedliche Erzeuger oder verschiedene Anlaufstellen eines Erzeugers – stehe nicht in Rede. Stattdessen würden in der ZABA Stoffe – mit Ausschließlichkeit für das Unternehmen – nach einer Abwasserbehandlung zur Abholung bereitgestellt und anschließend zur kommunalen Kläranlage verbracht.

Zwar gehöre nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts das Sammeln des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms durch Transportfahrzeuge zur Abwasserbeseitigung i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 2 WHG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.02.2017 – 9 B 30.16). Diese Vorschrift sei hier aber nicht anwendbar, weil sie allein für Kleinkläranlagen gilt und es sich bei der ZABA nicht um eine solche handelt. Zudem sei bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes vom Sammeln von Schlämmen aus typischerweise mehreren Kleinkläranlagen bzw. unterschiedlichen Anlaufstellen auszugehen. Die Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 2 WHG stelle klar, dass die Beseitigung des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms zur Abwasserbeseitigung gehöre und dass solche Schlämme der Beseitigungspflicht in kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen unterworfen werden können.

Der Transport von nicht in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms zur kommunalen Abwasseranlagen unterfällt somit den abfallrechtlichen Vorschriften betreffend die Beförderung von Abfällen (§§ 53 – 55 KrWG). Dagegen gehört das Sammeln und der Transport des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms durch Transportfahrzeuge zur Abwasserbeseitigung (vgl. § 54 Abs. 2 WHG) und unterliegt nach § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG nicht dem abfallrechtlichen Regelungsregime.

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