OVG Lüneburg: Senat contra Hochschulleitung

An einer niedersächsischen Hochschule hatte der der Senat sämtliche Präsidiumsmitglieder, mithin auch die hautamtliche Vizepräsidentin, abgewählt.

Nach Satz 1 des § 40 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) darf der Senat mit ¾-Mehrheit einzelne Mitglieder des Präsidiums abwählen und damit ihre Entlassung vorschlagen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift bedarf der Vorschlag des Senats der Bestätigung des Hochschulrats. Die Entlassung erfolgt dann durch das Ministerium, § 48 Abs. 1 NHG. Der Hochschulrat verweigerte aber Bestätigung. Daraufhin „bestätigte“ der Senat unter Berufung auf ein „nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis“ die Abwahl der hauptamtlichen Vizepräsidentin – die weiteren Präsidiumsmitglieder waren bereits zurückgetreten – und das Ministerium verfügte unter Anordnung des Sofortvollzugs die Entlassung der Funktionsbeamtin.

In dem sich hieran anschließenden Eilverfahren bestätigte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 03.09.2014 – 1 ME 104/14 die Entscheidung des Ministeriums. Das Gericht meinte u.a., es stelle eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit dar, wenn nicht dem Senat als dem mehrheitlich mit Hochschullehrern besetzten Hochschulgremium die ausschlaggebende Entscheidung über die Abwahl von Präsidiumsmitgliedern zustünde, sondern dem mehrheitlich mit Externen besetzten Hochschulrat diesbezüglich ein Vetorecht zukäme. Das Gericht störte sich auch nicht an § 40 Satz 2 NHG. Denn der Wortlaut des § 40 NHG enthalte – so die Auffassung des Gerichts – gerade keine Regelung zu der Frage, wie weiter zu verfahren sei, wenn eine Bestätigung des vom Senat beschlossenen Abwahlvorschlags nicht erfolge, so dass eine verfassungskonforme Auslegung erfolgen könne. Ferner sah das Gericht die Rechte der Funktionsbeamtin aus Art. 33 Abs. 5 GG gewahrt. Dem Wahlbeamten müsse zwar ein durch Art. 33 Abs. 5 GG garantiertes Mindestmaß an Unabhängigkeit seiner Amtsführung verbleiben. Diese sei jedoch zum einen dadurch sichergestellt, dass zur Abwahl eine ¾-Mehrheit erforderlich sei, was die Präsidiumsmitglieder dagegen absichere, zum Spielball schnelllebiger wechselnder Mehrheiten des Senats zu werden, und zum anderen durch den Umstand, dass die Präsidiumsmitglieder, die in einem Beamtenverhältnis auf Zeit gestanden haben, nach ihrer Abwahl im Grundsatz beamtenrechtliche Versorgung erhielten.

Die Entscheidung ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig. Zu diskutieren wäre etwa, ob mit der Auslegung des § 40 NHG nicht die Grenzen verfassungskonformer Auslegung gesprengt sind und ob dem Wahlbeamten im Hinblick auf seine Rechte aus Art. 33 Abs. 5 GG noch ein „Mindestmaß an Unabhängigkeit“ verbleibt, wenn im Konfliktfall der Senat ihn mit der Formel „nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis“ jederzeit demontieren kann. In rechtspolitischer Sicht wird der Beschluss im Hinblick auf die im Ergebnis „schwache“ Position der Präsidiumsmitglieder die Gewinnung von professionellem Personal für die Verwaltungsspitze einer Hochschule nicht gerade befördern.

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