SächsOVG zum Wahlrecht der Behörde im Widerspruchsverfahren

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 20.09.2017 – 4 A 24/17 betreffend ein Verfahren über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren sowie auf Festsetzung von zu erstattenden Kosten Folgendes ausgeführt:

Will die Behörde, deren Maßnahme mit einem Widerspruch angegriffen worden ist, den angefochtenen Verwaltungsakt aus der Welt schaffen, hat sie vor Erlass eines Widerspruchsbescheids durch die Widerspruchsbehörde grundsätzlich die Wahl, ob sie dem Widerspruch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 72 VwGO abhilft oder ob sie den Verwaltungsakt in einem eigenständigen Verfahren außerhalb des Widerspruchsverfahrens gemäß § 48 VwVfG zurücknimmt. Diese Wahl hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei darf sie beispielsweise berücksichtigen, ob sie den Widerspruch für von Anfang an begründet hält oder ob sie ihm aus anderen, etwa aus nachträglich entstandenen Gründen entsprechen will. Bei einer Rücknahme nach § 48 VwVfG ist die Behörde überdies weder an die Zulässigkeit noch an die Begründetheit des eingelegten Widerspruchs gebunden; insbesondere kann sie diesen Weg noch nach Unanfechtbarkeit des angegriffenen Bescheides wählen. Anders als bei der Abhilfe verfügt sie hier über ein Ermessen, in welchem Umfang sie den Verwaltungsakt zurücknimmt. Allerdings darf sie die Form der Rücknahme nicht nur deshalb wählen, um der in § 72 VwGO vorgeschriebenen Kostenentscheidung auszuweichen (BVerwG, Urt. v. 28. April 2009 a. a. O. Rn. 16). Insbesondere wäre eine Verwaltungspraxis, welche zielgerichtet nur zur Vermeidung von Kostenlasten in eine bestimmte Verfahrensweise ausweicht, mit dem Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsgebot nicht zu vereinbaren (BVerwG, Urt. v. 18. April 1996 - 4 C 6.95 -, juris Rn. 20). Entscheidet sich die Behörde trotz von ihr erkannter Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs für den Weg der Rücknahme nach § 48 VwVfG, so handelt sie nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn ihr gute Gründe für diese Verfahrensweise nicht zur Seite stehen (BVerwG, Urt. v. 26. März 2003 a. a. O. Rn. 21). Sie wird dazu Gründe anzugeben haben, um sich dem Verdacht zu entziehen, sie wolle mit ihrer Verfahrensweise der Rücknahme nur eine Kostenentlastung zum Nachteil des widersprechenden Bürgers erreichen (BVerwG, Urt. v. 18. April 1996 a. a. O. Rn. 22).

Behörden sollten anhand des Vorstehenden prüfen, ob ein mit Widerspruch angegriffener Bescheid auch außerhalb des Widerspruchsverfahrens zurückgenommen werden kann. Ist eine Aufhebung außerhalb des Widerspruchsverfahrens zulässig, besteht keine Verpflichtung der Behörde, die Kosten der Bevollmächtigten des Widerspruchsführers zu tragen.

Nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts stellt beispielsweise ein nachträglich geänderter Sachverhalt grundsätzlich einen zulässigen Anlass dar, von einer Abhilfeentscheidung im Widerspruchsverfahren abzusehen.

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