Streupflicht auf kommunalen Gehwegen

Der nunmehr für Verkehrssicherungspflichten zuständige erste Senat des Oberlandesgerichts Dresden hat ein erstes Urteil zur Streupflicht auf kommunalen Gehwegen erlassen. In der Entscheidung vom 11.04.2012 (Aktenzeichen: 1 U 1277/11) hat der Senat klargestellt, dass von der Streupflicht nur tatsächlich entbehrliche Wege auszunehmen sind, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht besteht. Eine Winterdienstpflicht besteht für die Kommunen daher schon dann, wenn der Gehweg nicht völlig entbehrlich ist.

Besteht eine allgemeine Glättebildung, also eine Wetterlage, die der Gemeinde Anlass gibt, ihr Straßennetz, jedenfalls aber neuralgische oder besonders glatteisgefährdete Punkte zu kontrollieren, kommt einem Geschädigten eine Beweiserleichterung zu, wenn festgestellt wird, dass das Unfallereignis in einem Zeitraum stattgefunden hat, in dem die Unfallstelle hätte gestreut gewesen sein müssen. In diesem Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein pflichtwidriges Unterlassen der Gemeinde bei der Erfüllung der ihr im Rahmen der Winterdienstpflicht obliegenden Aufgaben. Dann muss die Gemeinde vortragen, was sie unternommen hat, um der Gefahr von Glatteisunfällen zu begegnen. Der Senat wendet die Beweiserleichterungen zu Gunsten des Geschädigten daher nicht erst bei der Frage an, ob der Geschädigte aufgrund von Glatteis gestürzt ist, sondern bereits bei der Frage, ob die Gemeinde ihre Streupflichten verletzt hat.

Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass ein Sturz infolge von Glatteis nicht stets ein Mitverschulden des Fußgängers begründet. Vielmehr sei es eine Frage des Einzelfalls, ob dem Geschädigten vorgeworfen werden kann, er habe durch ein Verhalten zur Schadensentstehung beigetragen, das den durch Schnee und Eis herbeigeführten winterlichen Verhältnissen nicht genügend Rechnung getragen hat.

Die Rechtsprechung des ersten Senats weicht damit teilweise deutlich zu Gunsten der bei Glatteisunfällen Geschädigten von der Rechtsprechung des bisher zuständigen sechsten Senates ab. Bisher musste der Geschädigte in vollem Umfang nachweisen, dass eine Streupflichtverletzung vorliegt. Außerdem wurde regelmäßig ein Mitverschulden angenommen.

Wir empfehlen daher den Gemeinden, bei einer entsprechenden Witterungslage Gehwege und insbesondere glatteisträchtige Stellen wie Brücken zu kontrollieren und die Erfüllung dieser Winterdienstpflichten ausreichend zu dokumentieren.

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